noTDDZ 13.04.2018 GZ: Gegen Rechte protestieren – aber wie?

Von Frank Heine
Oker. Um Rollenverteilungen und Protestformen, die Frage nach Legalität und Legitimität, aber auch um persönliche Empfindungen und Ängste ging es am Donnerstagabend in der Begegnungsstätte. Mit mehr als 60 Personen war der kleine Saal voll besetzt, als ein fünfköpfiges Podium auf den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ vorausblickte und den Raum für Gegenkundgebungen auslotete. Für den 2.Juni haben wie berichtet Rechtsextreme zum zehnten bundesweiten Treffen in Goslar aufgerufen.

Oker. Um Rollenverteilungen und Protestformen, die Frage nach Legalität und Legitimität, aber auch um persönliche Empfindungen und Ängste ging es am Donnerstagabend in der Begegnungsstätte. Mit mehr als 60 Personen war der kleine Saal voll besetzt, als ein fünfköpfiges Podium auf den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ vorausblickte und den Raum für Gegenkundgebungen auslotete. Für den 2.Juni haben wie berichtet Rechtsextreme zum zehnten bundesweiten Treffen in Goslar aufgerufen.

„Gemeinsam gegen Rechtsextremismus!?“ Über das Fragezeichen am Ende der Einladungsformel freute sich Steffen Brettschneider aus einem Grund: „Die Polizei darf sich nicht auf eine Seite schlagen“, markierte der Vertreter des Sozialwissenschaftlichen Dienstes der Polizei juristische Grenzen eines partnerschaftlichen Kurses. „Wir müssen neutral dazwischenstehen, ob uns das gefällt oder nicht“, sah er die Exekutive „allein dem Recht verpflichtet“.

„Ärgerliche Passivität“

Nachvollziehbar fand diese Haltung Christiane Dorstewitz zwar. Die Sprecherin des Bündnisses gegen Rechtsextremismus ärgerte sich aber dennoch über die „Passivität gegen Menschen, die die demokratische Grundordnung abschaffen wollen“. Und sich bei ihren Kundgebungen gleichzeitig auf sie beriefen: „Das ist für mich der Spreizschritt zwischen Recht und Gerechtigkeit.“

„Unter dem Legalitätsprinzip habe ich schon alles erfahren“, warf der demoerfahrene Sebastian Wertmüller ein. Der Verdi-Chef für Südost-Niedersachsen sprach „von einer gelebten Praxis“ unter dieser Formel: „Die Polizei kann immer wieder Entscheidungen treffen.“ Und zwar je nach Situation und in Kommunikation mit dem Versammlungsleiter. Wann rücken Wasserwerfer an, wann kommen die Gummiknüppel heraus, wenn Sitzblockaden stören? „Da wird es auch in Goslar spannend.“

Für den Polizei-Gewerkschaftler Dietmar Schilff ist das keine Frage. „Die Polizei wird angemessen und verhältnismäßig agieren“, sagte er voraus. Er habe den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ in Wolfsburg erlebt, der ihm „Schauer über den Rücken gejagt“ habe. Aber das Gefühl im Bauch sei das eine: Die Polizei habe einen Auftrag zu erfüllen – „auch wenn sich bei den Beamten die Faust in der Tasche ballt.“

„Gesellschaftlich notwendig“

Ohne Wolfsburg an diesem Abend weiter auszuführen, war dies ein gutes Stichwort. Zum Hintergrund: In der VW-Stadt waren 2013 rund 570 Rechtsextreme aufmarschiert. Rund 5000 Menschen waren zu dem als „Fest der Demokratie“ ausgelobten Gegenprotest erschienen. Es zogen seinerzeit aber auch rund 450 Gegendemonstranten aus dem gewaltbereiten Spektrum durch die Innenstadt. Vereinzelt wurden Steine auf Polizisten geworfen.

Was passiert bei Sitzblockaden? Wie reagiert die Polizei auf vermummte Personen? Wie nah dürfen sich die beiden Lager kommen? Eine Frage, die auch im Publikum unterschiedlich gesehen wurde. Hans Georg Ruhe etwa, Aufsichtsratschef bei den Goslarschen Höfen, forderte Diskursfreiheit ein. Er wolle die Auseinandersetzung auch führen, „die gesellschaftlich notwendig ist“.

Rechtsextreme bekehren? Ein solches Vorhaben hält Goslars SPD-Chef Jens Kloppenburg an diesem Tag für unrealistisch: „Wir müssen zeigen, dass wir deutlich in der Mehrheit sind und die gesamte Zivilgesellschaft keinen braunen Mob in den Stadtmauern haben will.“ So sieht es auch Dorstewitz, die den Konsens über friedlichen Protest im Aufruf für den Tag hervorhob und auf eine möglichst breit aufgestellte Gegendemonstration hofft. Ein Diskurs mit Nazis? „Wir werden bei denen keine Besserung der Einstellung erreichen.“

Unruhe im Saal

Moderator Peter Römer (Münster) schloss den Abend nach anderthalb Stunden, freilich nicht ohne bei den Wortmeldungen an Ex-Ratsherr Heinz Severitt zu geraten. Mit seinen Statements und (suggestiven) Fragen sorgte er für Unruhe im Saal – spätestens, als er um Protest-Rücksicht auf eine „konservative“ Partei wie die AfD warb.

„Kommst Du auch zur Demo?“ Und wenn ja, „auf welcher Seite?“ waren Fragen an Severitt, die aus dem empörten Publikum laut wurden – ein markantes Ende für eine Veranstaltung, zu der das Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus, die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, das Wolfsburger „Zentrum demokratische Bildung“ und die Gewerkschaft Verdi eingeladen hatten.

Kommentar

Wehrmann & Sohn

13.04.2018, 23:29 Uhr

Die AfD eine „konservative“ Partei? In welchem Paralleluniversum lebt dieser Herr Severitt eigentlich? Man muss gar nicht auf die wiederholten Provokationen der Höckes, Poggenburgs und von Storchs eingehen, um den wahren Charakter dieser Partei zu erkennen. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, selbst ein Konservativer, brachte es bereits Anfang 2017 auf den Punkt, als er die AfD als „fremdenfeindlich und rechtsextremistisch“ einstufte – eine Partei, die dem Ansehen Deutschlands in der Welt schade. Severitts Anbiederung an Goslars Neue Rechte folgt offenkundig dem Kalkül, doch noch einen Listenplatz für die nächste Kommunalwahl erreichen zu können, was bekanntlich 2016 grandios gescheitert war. Aber auch hier gilt die alte Boxer-Weisheit „They never come back“ – das gilt für Severitts WGH ebenso wie für die sang- und klanglos in der Versenkung verschwundene Menge-AfG. Manche merken es früher, dass ihre Zeit vorbei ist – andere nie!